Steckbrief von Scotty Moore
Winfield Scott Moore
Gestorben (im Alter von 84 Jahren)
Scotty Moore war der Gitarrist, der entscheidend zur Entstehung des Rock ’n‘ Roll beigetragen hat, insbesondere durch seine Zusammenarbeit mit Elvis Presley. Geboren 1931 in Tennessee, prägte Moore den einzigartigen Sound von Elvis‘ frühen Hits wie „Heartbreak Hotel“ und „Hound Dog“. Sein innovativer Gitarrenstil, der Country, Blues und Jazz vereinte, beeinflusste Generationen von Musikern. Obwohl oft im Schatten des „King“, gilt Moore als einer der wichtigsten Gitarristen der Musikgeschichte und Wegbereiter des Rock ’n‘ Roll.
Frühe Jahre und musikalische Einflüsse
Winfield Scott „Scotty“ Moore III wurde am 27. Dezember 1931 in Gadsden, Tennessee, geboren. Als eines von vier Kindern wuchs er in bescheidenen Verhältnissen auf. Schon in jungen Jahren zeigte Moore eine Leidenschaft für Musik, die durch die Einflüsse seiner Familie genährt wurde. Sein Vater spielte Banjo, und Moore selbst begann im Alter von acht Jahren Gitarre zu spielen. Die ländliche Umgebung, in der Moore aufwuchs, war von traditioneller Country-Musik und Blues geprägt, und diese musikalischen Strömungen sollten sich später in seinem Spiel widerspiegeln.
Scotty Moore nannte Chet Atkins und Merle Travis als frühe musikalische Vorbilder, deren Fingerpicking-Stil ihn stark beeinflusste. Er bewunderte ihre Fähigkeit, Melodie und Bass gleichzeitig auf der Gitarre zu spielen – eine Technik, die er später in seinen eigenen Stil integrierte und weiterentwickelte. Die Musik des Mississippi-Deltas, mit ihren rauen und emotionalen Klängen, prägte ebenfalls seine musikalische Identität. Besonders die Arbeiten von Blues-Künstlern wie B.B. King und T-Bone Walker beeinflussten seine Spielweise stark.
Mit 18 Jahren trat Scotty Moore der US Navy bei und diente im Koreakrieg, wo er seine musikalische Reise fortsetzte, indem er in verschiedenen Militärbands spielte. Diese Erfahrung half ihm, seine Fähigkeiten als Musiker zu verfeinern und bereitete ihn auf das vor, was kommen sollte: ein Zusammentreffen mit einem jungen Sänger, das die Musikwelt verändern sollte.
Die Begegnung mit Elvis Presley und die Geburt des Rock ’n‘ Roll
Nach seiner Rückkehr aus dem Militärdienst zog Moore 1952 nach Memphis, Tennessee, wo er sich der musikalischen Szene der Stadt anschloss. Memphis, bekannt als Schmelztiegel musikalischer Einflüsse, insbesondere Blues, Country und Gospel, erwies sich als perfekter Nährboden für die Entwicklung des Rock ’n‘ Roll. In dieser Zeit trat Moore der Band „Starlite Wranglers“ bei, einer Country-Band, die regelmäßig im lokalen Radiosender WHBQ auftrat.
Es war im Sommer 1954, als Sam Phillips, der Besitzer von Sun Records, Scotty Moore bat, mit einem jungen Sänger namens Elvis Presley zusammenzuarbeiten. Phillips war von Elvis einzigartiger Stimme fasziniert, war sich jedoch unsicher über seine musikalische Richtung. Er bat Moore, zusammen mit dem Bassisten Bill Black, einige Aufnahmen mit Presley zu machen, um zu sehen, ob sie eine musikalische Chemie entwickeln konnten. Zusammen mit Elvis und Bill entstand die Band „Blue Moon Boys„.
Am 05. Juli 1954 geschah etwas Magisches. Während einer Aufnahmesession in den Sun Studios in Memphis, spielten Scotty Moore und Bill Black eine lockere Version von Arthur Crudups Song „That’s All Right“. Elvis, der bis dahin noch nervös und unsicher wirkte, ließ sich plötzlich von der Energie der Musik mitreißen und begann zu singen. Scotty Moore, dessen Gitarrenspiel mit schnellen, perkussiven Läufen glänzte, ergänzte Elvis Presleys Stimme perfekt. Die Aufnahme wurde als revolutionär angesehen und markierte den Beginn von Elvis‘ Aufstieg zum Ruhm.
Scotty Moore war von Anfang an nicht nur ein Gitarrist, sondern ein wesentlicher Bestandteil von Elvis’ Sound. Seine Kombination aus Country-, Blues- und Rhythmusgitarren-Elementen gab den Songs eine unverwechselbare Note. Während viele Rock ’n‘ Roll-Stücke dieser Zeit simpel strukturiert waren, fügte Moore Komplexität und Tiefe hinzu, die seine Soli unvergesslich machten.
Das Sun-Records-Zeitalter und der Aufstieg von Elvis
Nach dem Erfolg von „That’s All Right“ begann Elvis Presley, begleitet von Moore und Bill Black, häufiger in den Sun Studios aufzutreten. Gemeinsam entwickelten sie einige der bedeutendsten frühen Rock-’n’-Roll-Aufnahmen, darunter „Good Rockin’ Tonight“, „Baby Let’s Play House“ und „Mystery Train“. Moore spielte eine wesentliche Rolle in dieser dynamischen Entwicklung. Sein Spielstil, der Elemente von Blues, Country und Jazz miteinander verschmolz, verhalf Elvis‘ Musik, eine breitere Zuhörerschaft zu erreichen.
Der berühmte „Sun Sound“, der mit Rockabilly assoziiert wird, wäre ohne Scotty Moore unvollständig. Sein Gitarrenspiel war treibend, doch zugleich präzise, und er brachte einen unverkennbaren Groove in die Musik ein. Moore experimentierte auch mit der Verwendung von Gitarren-Effekten, insbesondere der frühen Verwendung von Delay und Echo, um seinen Sound zu erweitern. Dies war besonders in Songs wie „Mystery Train“ offensichtlich, wo Moore einen „klappernden“, rhythmischen Sound erzeugte, der den Zug imitierte, von dem im Songtext die Rede war.
Trotz des musikalischen Erfolgs bei Sun Records waren Scotty Moore, Elvis Presley und Bill Black finanziell nicht auf Rosen gebettet. 1955 wechselte Elvis zu RCA Records, was nicht nur seine Karriere auf ein neues Niveau hob, sondern auch die seiner Bandkollegen. Moore blieb ein integraler Bestandteil von Elvis‘ Sound und tourte mit ihm durch das Land, während Presley seinen Status als aufsteigender Stern festigte.
Die RCA-Jahre und der Durchbruch mit Elvis
Mit dem Wechsel zu RCA Records kam der Durchbruch. Die erste Aufnahme, die Scotty Moore Moore mit Elvis für RCA machte, war „Heartbreak Hotel“, das Anfang 1956 veröffentlicht wurde. Der Song wurde ein sensationeller Hit und katapultierte Elvis in den Status eines Superstars. Moore’s markante Gitarrenarbeit war entscheidend für den Erfolg des Songs. Sein Solo in „Heartbreak Hotel“ ist minimalistisch und doch prägnant, ein Paradebeispiel für „weniger ist mehr“.
Im selben Jahr traten Scotty Moore, Bill Black und der neu hinzugekommene Schlagzeuger D. J. Fontana als Elvis‘ feste Band auf. Sie begleiteten ihn auf zahlreichen Auftritten, darunter bei der Radiosendung Louisiana Hayride und in der Ed Sullivan Show, die Millionen von Zuschauern erreichten und Elvis‘ Popularität weiter steigerten. Moore’s Spielweise entwickelte sich weiter, und er blieb stets im Einklang mit der musikalischen Vision, die Elvis und sein Team verfolgten.
In den folgenden Jahren spielte Scotty Moore auf einigen der größten Hits von Elvis, darunter „Hound Dog“, „Don’t Be Cruel“, „Jailhouse Rock“ und „Blue Suede Shoes“. Sein Gitarrenspiel wurde immer raffinierter, und er experimentierte weiterhin mit verschiedenen Techniken und Sounds, um den Rock-’n’-Roll-Sound weiterzuentwickeln. Während viele Gitarristen dieser Zeit sich auf Geschwindigkeit und Virtuosität konzentrierten, legte Moore mehr Wert auf den Groove und die Melodie, was ihm einen einzigartigen Platz in der Musiklandschaft verschaffte.
Das Ende der Zusammenarbeit und späte Jahre
Trotz des unglaublichen Erfolgs, den Moore an der Seite von Elvis erlebte, war das Verhältnis zwischen den beiden nicht immer einfach. Die finanziellen Bedingungen waren ein ständiger Streitpunkt. Während Elvis immer reicher und berühmter wurde, blieben Moore und seine Bandkollegen oft finanziell benachteiligt. Dies führte 1957 dazu, dass Moore kurzzeitig die Band verließ, kehrte jedoch bald zurück, um Elvis bei seiner ersten großen Filmproduktion, Jailhouse Rock, zu unterstützen.
Die Zusammenarbeit zwischen Scotty Moore und Elvis dauerte bis Anfang der 1960er Jahre. Mit Elvis‘ Fokus auf seine Filmkarriere und die allmähliche Abkehr vom Tourleben wurde auch die Rolle von Moore kleiner. 1968 jedoch kehrte er für das legendäre „68 Comeback Special“ zurück, das als eines der größten Momente in Elvis‘ Karriere gilt. Moore spielte in dieser akustischen Session mit einem lockeren, fast „unplugged“-ähnlichen Format, das Elvis zurück zu seinen Wurzeln brachte. Nach dem Comeback-Special trennten sich Moore und Elvis endgültig.
In den 1970er- und 1980er-Jahren war Scotty Moore sowohl als Gitarrist als auch als Produzent aktiv und arbeitete mit verschiedenen Künstlern zusammen. 1970 produzierte er Ringo Starrs Soloalbum Beaucoups of Blues und 1975 spielte er auf Carl Perkins‘ Album EP Express. Bis in die späten 1980er-Jahre hinein war Moore auch als Produzent für Musik in zahlreichen Fernsehshows tätig und arbeitete mit Größen wie Dolly Parton, Bob Hope, Perry Como, Johnny Cash und Jerry Lee Lewis.
1992 kehrte Scotty Moore als aktiver Musiker zu Sun Records zurück und trat seitdem wieder regelmäßig auf. Bei seinen Konzerten, die oft namhafte Gastmusiker anzogen, begleiteten ihn unter anderem Eric Clapton, Keith Richards und Lee Rocker von den Stray Cats. Außerdem nahm er an vielen Tribute-Konzerten zu Ehren von Elvis Presley teil. Im Jahr 2000 wurde Moore in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen und drei Jahre später vom US-Musikmagazin Rolling Stone auf Platz 44 der 100 einflussreichsten Gitarristen gewählt. 2011 stieg er in dieser Rangliste auf Platz 29 auf.
Scotty Moore verstarb am 28. Juni 2016 im Alter von 84 Jahren in Nashville. Er war dreimal verheiratet und hinterließ einen Sohn und vier Töchter. Seine langjährige Lebensgefährtin, Gail Pollock, war bereits 2015 verstorben.
Equipment
Scotty Moore blieb während seiner gesamten Karriere den Vollresonanz-E-Gitarren (Archtops) von Gibson treu. Zu Beginn seiner Arbeit mit Elvis Presley spielte er die frühen Hits auf einer Gibson ES-295 ein, bevor er 1955 auf eine Gibson L-5 umstieg. Zwei Jahre später wechselte er schließlich zur Gibson Super 400. Als Verstärker nutzte Moore zunächst einen Fender-„Tweed“-Champ, wechselte jedoch bald zu einem EchoSonic-Verstärker, der von Ray Butts entwickelt wurde. Der EchoSonic war mit einem eingebauten Bandecho ausgestattet, das den markanten „Slapback“-Klang erzeugte, der besonders in Aufnahmen wie „Mystery Train“ charakteristisch für den Rock-’n’-Roll-Sound war.
Neben den E-Gitarren besaß Moore auch eine Gibson J-200 Jumbo-Akustikgitarre, die jedoch meistens von Elvis selbst gespielt wurde. In den späten 1980er-Jahren erhielt Moore von Chet Atkins dessen persönliches Gibson-Signature-Modell, das er fortan häufig verwendete. Für sein Comeback griff er auf seinen alten EchoSonic-Verstärker zurück und verwendete zusätzlich einen Fender Dual Professional.
Einfluss auf die Gitarrenwelt und Vermächtnis
Die Bedeutung von Scotty Moore für die Entwicklung der Rockmusik kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Während Elvis Presley oft als Gesicht des Rock ’n‘ Roll angesehen wird, war Moore die Hand, die die Gitarre hielt und das Rückgrat vieler seiner größten Hits bildete. Moore’s Spielweise war geprägt von einem fließenden Mix aus verschiedenen Genres, der es ihm ermöglichte, die frühe Rockmusik sowohl rhythmisch als auch melodisch auf eine neue Ebene zu heben.
Moore inspirierte unzählige Gitarristen, darunter einige der bekanntesten Namen der Rockgeschichte. Keith Richards von den Rolling Stones erklärte einmal, dass er ohne Moore „nicht wüsste, wie man Rock-’n’-Roll-Gitarre spielt“. Auch Jimmy Page, Jeff Beck und George Harrison nannten Moore als eine ihrer wichtigsten Einflüsse. Sein cleaner, twangy Sound und seine Fähigkeit, komplexe Melodien in den Rhythmus zu integrieren, machten ihn zu einem Vorbild für viele Gitarristen, die den Rock ’n‘ Roll prägten.
Scotty Moore wurde 2000 in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen – eine späte, aber verdiente Anerkennung für seine Beiträge zur Musikgeschichte. Moore selbst blieb bescheiden über seine Rolle in der Rockmusik und betonte immer, dass er einfach versuchte, die Songs so gut wie möglich zu spielen und das Beste aus seiner Gitarre herauszuholen.